Finger weg, denn Früchte machen dick –
Tatsache oder Trugschluss?
Früchte machen eine Wampe. Schliesslich enthalten diese viel Fruchtzucker, und der macht dick. Sollten wir Äpfel und Co. also der Figur zuliebe vom Speiseplan streichen? Ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Früchte sind ungesund, sagen Influencer. Bananen als Zwischenmahlzeiten sind nicht erlaubt, sagen die Lehrer. Und Foodblogger behaupten: Früchte bringen nur unnötige Kalorien, die die Leute dick machen.
Früchte scheinen in der medialen Landschaft einen immer schlechteren Ruf zu haben. Was ist dran an den Vorwürfen?
Die Fruktose (= Fruchtzucker) hat ihren schlechten Ruf heute sicherlich zurecht. Als ich im Ernährungsstudium war, lobte man den fast doppelt so süssen Zucker im Vergleich zu Haushaltszucker noch als Diabetikerzucker.
Heisshunger auf Süsses und Salziges
Heute weiss man, dass zu viel Fruktose eine gefährliche Leberverfettung ergibt. Die Leber bildet einen wichtigen Kohlenhydratspeicher, welcher den Blutzuckerspiegel halten kann. Fällt dieser ab, haben wir Heisshunger und Lust auf Süsses, Salziges oder Brot.
Ist dieser Speicher aber randvoll und wir führen zusätzlich Fruktose zu, dann gleicht unsere Leber bald jener einer Stopfgans. Neben der Leberschädigung lässt die Fruktose unseren Herzmuskel unkontrolliert wachsen. Es liegt auf der Hand, dass wir zu viel Fruktose in unserer Ernährung vermeiden sollten!
Sind Früchte die Bösewichte?
Ein Apfel hat gerade mal rund sechs Gramm Fruchtzucker. Ein halber Liter Süssgetränk enthält rund das Fünffache! Auch wenn wir nach einem ausgewogenen Frühstück oder Mittagessen drei bis vier Stück Obst als Zwischenmahlzeit essen, müssen wir nicht mit einer Leberverfettung rechnen.
Der eigentliche Bösewicht und Hauptlieferant von Fruktose ist der Haushaltszucker (Saccharose). Essen wir stets eine kohlenhydratreiche Mahlzeit, ein Dessert und gönnen uns zwischendurch noch ein Süssgetränk, ist dies gesundheitlich sehr bedenklich.
Zucker für Sportler schädlich
Auch für Sportler gilt natürlich, wenn die Leber voll ist und wir zusätzlich Zucker zuführen, schaden wir der Leber. Doch wer sich über den Tag ausgewogen ernährt und etwas Süsses vor dem Training geniesst, muss nicht mit gesundheitlichen Konsequenzen rechnen, sondern eher mit einem energiereichen und tollen Training.
Sorgen Früchte für mehr Aufbau von Körperfett?
«Früchte machen fett.» Diesen Satz lesen wir oft bei Instagram. Kaum etwas ist so falsch wie diese Aussage.
In unseren Beratungen messen wir Körperfett mit verschiedenen Methoden. Bei der «Caliper»-Körperfettmessung wird die Hautfaltendicke bestimmt und geschaut, wo jemand zunimmt. Wenn wir die Daten in unserer Praxis auswerten, sehen wir, dass Früchte alles andere als fett machen.
Essen wir als Zwischenmahlzeit Früchte, können Männer im Brustbereich Körperfett reduzieren. Beide Geschlechter profitieren bei den Fettdepots rund um die Hüfte und vor allem Frauen bei den Problemzonen Oberschenkel und Arme.
Früchte bringen zu viele Kalorien
Um es einmal festzuhalten. Kalorien sind nichts Böses, sondern der Grund, warum wir existieren und im Alltag überhaupt etwas leisten können. Ein Mädchen von zehn Jahren und 140 Zentimeter Grösse sollte beispielsweise rund 2’200 Kilokalorien (ohne Sport!) essen. Dies sind drei Vollmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten. Wenn wir nun schon in diesem Alter auf Früchte schiessen, dürften es wohl später Schokoriegel und Sandwiches als Zwischenmahlzeit sein – so wie bei den Eltern.
Wer sehr viel Lust auf Süsses, Salziges oder Brot hat, sollte einmal über den Tag drei bis vier Portionen Früchte essen. Sie werden sehen, die Lust auf Süsses verschwindet so schnell.
Die meisten essen viel zu wenig Früchte
Das Schlusswort zum Thema Früchte möchte ich einem Internisten und Diabetologen Jürgen Grunwald überlassen: «Die meisten Menschen essen viel zu wenig Obst. Die Mengen, in denen Fruktose zu einem Problem wird, schafft erst die Lebensmittelindustrie. Vor allem gesüsste Getränke enthalten zu viel Fruchtzucker. Eine grosse Flasche Orangenlimonade am Tag, ein Honigbrot zum Frühstück und eine Fertigpizza am Feierabend – und schon liegt man bei deutlich über 100 Gramm. Das sind Mengen, die bei längerfristiger Einnahme tatsächlich negative Effekte haben! Trotzdem ist es zweifelhaft, den Fruktosekonsum gesetzlich zu kontrollieren. Essen sollte immer auch noch Spass machen und schliesslich hat Paracelsus auch hier recht: ‹… Nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s.›.»
Beitrag von Jürg Hösli aus bluewin.ch