„Die Haut ist ein Spiegel des Inneren“
Unsere Haut ist mehr als eine Hülle – sie ist Spiegel, Schutzschild und Frühwarnsystem zugleich. Dr. Julia-Christina Welzel, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, erklärt im erpse Interview, warum Stress, Ernährung und Lebensstil unmittelbar auf das Hautbild wirken, weshalb täglicher Sonnenschutz Gesundheitsvorsorge ist und warum gute Hautpflege manchmal in der Küche beginnt. Die Fachärztin ist Dozentin bei der erpse Weiterbildung zum Spezialist für psycho-physiologische Ernährungs- und Trainingsdiagnostik. Mehr Infos zu ihrem Vortrag:
War die Dermatologie schon immer Ihr Ziel oder Zufall?
Nein, Zufall war das keiner. Nach sieben Jahren Medizinstudium folgten etwa sechs Jahre Facharztweiterbildung zur Dermatologin. Mich hat anfangs auch die Neurologie interessiert, weil mich kognitive Prozesse fasziniert haben. Die Neurologie hat mich wegen der kognitiven Prozesse sehr fasziniert. Doch trotz vieler diagnostischer Erkenntnisse bleiben die therapeutischen Möglichkeiten oft begrenzt – das war letztlich nicht das, was ich mir für meine ärztliche Tätigkeit gewünscht habe. Die Haut dagegen ist ein Spiegel vieler innerer Prozesse – sowohl physiologischer als auch psychologischer. Viele internistische Erkrankungen zeigen sich über die Haut, ebenso Stress oder emotionale Belastungen. Sie ist unser größtes Organ, mit starker Immunfunktion und direkter Verbindung zu nahezu allen Systemen im Körper. Diese Vielschichtigkeit hat mich sofort gepackt.
Die Haut ist also Oberfläche und Diagnosetool.
Ganz genau. Sie ist ein diagnostisches Fenster. Über sie lassen sich Erkrankungen erkennen, Mangelzustände einschätzen oder Reaktionen auf äußere Einflüsse ablesen.
Wenn man an Haut denkt, denken viele auch an Schönheit. Spielt Ästhetik in Ihrer Arbeit eine große Rolle?
In meiner Facharztweiterbildung an Universitätskliniken spielte Ästhetik eine absolut untergeordnete Rolle. Da geht es um Medizin, nicht um Kosmetik. Mein Fokus liegt auf Hautgesundheit, nicht auf Schönheitsbehandlungen.
Viele Menschen klagen über empfindliche Haut, Rosazea oder Reizungen. Wird unsere Haut tatsächlich empfindlicher?
Ich würde nicht sagen, dass sie empfindlicher wird – aber die Belastungen nehmen zu. Klimawandel, häufiges Reisen und damit mehr UV-Exposition, Luftverschmutzung, Stress und Lebensstil haben einen großen Einfluss. Ernährung, Bewegungsmangel und psychischer Druck sind Triggerfaktoren für viele Hauterkrankungen. Unsere moderne Lebensweise begünstigt also Reizungen und Entzündungen.
Was ist Ihr wichtigster Tipp für gesunde Haut?
Ganz klar: Nicht viel hilft viel! Viele Menschen – vor allem Frauen – verwenden zu viele Produkte.
Das A und O sind eine gute Feuchtigkeitspflege und täglicher Sonnenschutz. Lichtschutzfaktor 30 sollte Standard sein, im Sommer 50 – auch im Büro oder im Auto. Auch abseits von Sonne und Strand erreicht ein Teil der UV-Strahlung unsere Haut – selbst durch Fensterscheiben – und trägt zur Hautalterung und Schädigung bei.
Nicht alle achten im Winter auf einen Sonnenschutzfaktor … warum eigentlich?
Das ändert sich langsam. Die jüngere Generation ist durch Social Media sehr aufgeklärt und weiß: Sonnenschutz ist der wichtigste Anti-Aging-Faktor überhaupt. In früheren Jahren lag das auch an den Produkten – sie waren klebrig, weißelnd, unangenehm. Heute gibt es leichte Fluide mit hervorragender Formulierung. Es gibt also keine Ausrede mehr.
Kommen wir zur Ernährung und einer Fake News: Wie stark trägt Hautpflege zur Gewichtsreduktion bei?
(lacht) Über Hautpflege abnehmen kann man definitiv nicht. Aber die Haut spiegelt sehr deutlich, wie wir leben. Entzündungen, Stressbelastung oder Mangelzustände lassen sich am Hautbild erkennen. Die Haut ist eng mit unserem Stoffwechsel verbunden – und ja, sie zeigt, wenn im Körper etwas aus dem Gleichgewicht gerät.
Was empfehlen Sie als „Skin Food“?
Eine entzündungsarme, mediterrane, ballaststoffreiche Ernährung, möglichst pflanzenbasiert. Wichtige Nährstoffe sind Zink sowie ein ausgewogenes Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren. Es geht nicht nur darum, was man isst, sondern auch wie – und wie Ernährung mit Bewegung und Stresslevel zusammenspielt.
Wann sollte man mit Hautproblemen zum Arzt?
Besser früher als später. Leider sind Termine oft knapp, deshalb ist es wichtig, eine gute Basisversorgung zu haben, also Hautpflege und Strategien für akute Phasen zu kennen. Wer chronische Hauterkrankungen hat – wie Neurodermitis –, sollte lernen, frühe Warnzeichen zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern. Prävention ist hier der Schlüssel.
Sie sprechen von der sogenannten Darm-Haut-Achse. Wie stark ist der Zusammenhang wirklich?
Sehr stark. Die Haut hat ein eigenes Mikrobiom – eine Schicht guter Bakterien, die unser Schutzsystem stabilisiert. Kommt dieses Gleichgewicht durcheinander, etwa durch Stress, falsche Pflege oder Ernährung, entstehen Entzündungen.
Dasselbe gilt für das Darmmikrobiom. Beide Systeme beeinflussen sich gegenseitig, weshalb Forschung hier intensiv arbeitet. Haut und Darm sind beides zentrale Immunorgane – und eng miteinander verbunden.
Zum Abschluss: Könnte man sagen, Hautpflege wandert vom Badezimmer in die Küche?
(lächelt) Ich würde sagen: Sie ergänzt sich. Wer seiner Haut wirklich etwas Gutes tun will, denkt ganzheitlich – von außen und von innen.
Mehr Infos zur erpse Diagnostiker-Weiterbildung sowie zu Dr. Julia-Christina Welzel und ihrem Vortrag:
